Thursday, October 18, 2007

österreich ist schön

Österreich ist schön
Rede zur Gesetzeslage der Nation - Gehalten von Franzobel bei der Kundgebung gegen die Abschiebung der Familie Zogaj in Frankenburg

(im Kommentar)

2 Comments:

At 7:18 AM, Blogger martin said...

Österreich? Ist das schön. Und hundertmal und überhaupt. Österreich ist schön, und schon schön ist Österreich. Ich bin hundertmal verliebt in Österreich. Und Österreich ist sehr schön, das lernen wir, hundertmal, dass Österreich richtig schön ist, und das ist das Schöne an Österreich, dass hundertmal schon die österreichischen Schulkinder lernen, wie schön dieses Österreich nun ist, damit sie es nur ja nie mehr vergessen. Ist das schön. Und überhaupt. Die Sonne. Und damit sie es nur ja nie mehr vergessen, wie schön, schön Österreich ist, müssen schon die Schulkinder hundertmal, hundertmal schreiben, Österreich ist schön. Ist das schön. So schön ist Österreich, dass schon die Schulkinder es aufschreiben müssen. Müssen schreiben: Österreich fängt schön an, und schön hört Österreich auch auf. Ja. So ist das mit Österreich. Durch und durch schön. Hundertmal.

Und Österreich ist das sechstreichste Land der Welt. Und das schönste überhaupt. In Österreich gibt es wenig Armut. Den meisten geht es gut. Und dennoch reden plötzlich alle davon, dass die geltenden Gesetze eingehalten werden müssen - solange sie nicht selbst von so einem Gesetz als Parksünder oder Alkolenker abgestraft werden, dann nämlich wollen alle plötzlich eine Ausnahme. Österreich ist schön.

Aber wie schön kann Österreich noch sein, wenn plötzlich alle die Einhaltung der Gesetze fordern? Auch Adam Graf von Herberstorff, der 1625 hier in Frankenburg beim so genannten Frankenburger Würfelspiel 36 Bauernrädelsführer um ihr Leben würfeln ließ, und dann 17 aufhängen ließ, auch dieser Graf hat nach seinen Gesetzen gehandelt. Und auch der Nazi-Bürgermeister, der hier vor etwas mehr als 60 Jahren einen polnischen Zwangsarbeiter aufhängen und die Magd, die mit ihm ein Verhältnis hatte, scheren und zum Gespött der Leute machen ließ, auch dieser NS-Bürgermeister hat nach seinen Gesetzen gehandelt. Auch die Diktatoren, Hexenverbrenner und Folterknechte hatten alle ihre Gesetze.

Ich pfeif auf diese Gesetze, wenn sie gegen Menschlichkeit und Toleranz sind

Ich pfeif auf diese Gesetze, wenn sie gegen Menschlichkeit und Toleranz sind. Ich pfeif auf diese Gesetze, wenn sie als Ausreden für Untaten herhalten. Ich pfeif auf diese Gesetze, wenn sie ungerecht und inhuman sind.

Österreich ist schön, aber wie schön kann dieses Land sein, wenn plötzlich alle sagen, der Staat darf sich nicht erpressen lassen. Was will denn das für ein Staat sein, wenn er sich von einem 15-jährigen Mädchen, das alles, was es hat, einsetzt, nämlich das Leben, erpressen lassen könnte? Was kann Österreich verlieren? Wie soll denn eine 15-Jährige einen Staat erpressen? Das können allenfalls Terroristen! Geiselnehmer!

Wenn also der Innenminister davon spricht, dass Arigona Zogaj den Staat erpresse, dann betreibt er eine unzulässige Kriminalisierung, für deren Ahndung er selbst zuständig wäre. Asylanten befinden sich in einem rechtlosen Zustand, der jeden fühlenden Menschen beschämen muss. Die Situation der Asylsuchenden ist die mitteleuropäische Schande des 21. Jahrhunderts, die humanitäre Blamage der EU. Ich schäme mich dafür.

Als Christen lernen wir, dass Maria und Josef in Bethlehem kein Quartier fanden, in einem Stall wohnen und den Erlöser zur Welt bringen mussten, wir empören uns über die Hartherzigkeit der Bewohner Bethlehems. Und selber sind wir noch weit schlimmer. Ich sehe nicht, wie sich die Volkspartei mit ihrem Standpunkt im Fall Zogaj noch christlich nennen kann.

Mit Fremden will man nicht verkehren

Österreich ist ein Fremdenverkehrsland, aber mit Fremden will man nicht verkehren. Die Sprache gibt man preis, auf Speisekarten liest man Rührei, Filetspitzen und Pfannkuchenstreifen, statt Eierspeis, Lungenbraten, Frittaten, aber vor Asylanten, vor armen Habenichtsen, die in ihrer Heimat oft Schreckliches erleben mussten, hat man Angst. Und tschüss.

Österreich ist schön. Von den Touristen nimmt man gern das Geld, im Osten macht man gern Profit, aber von Verantwortung will man nichts wissen. Dabei ist es noch nicht so lange her, dass auch Österreicher froh über Asyl waren, auch uns vom Ausland geholfen werden musste - und geholfen worden ist.

Wie ich vom Schicksal der Familie Zogaj erfahren habe, dachte ich, nach dieser medialen Lawine sei es fast schon nicht mehr notwendig, sich für diese Familie noch einzusetzen, dachte ich, es ginge eher darum, auch auf die 1500 ähnlichen Fälle hinzuweisen. Mittlerweile habe ich viele erschreckende Postings und Leserbriefe gelesen, viel Geifer, der vor allem eines zeigt: Angst und Unzufriedenheit.

Österreich ist schön. Aber können diese für Abschiebung und Härte eintretenden Menschen, die scheinbar nichts so sehr bewegt wie die Angst vor möglichem Missbrauch des Asylrechts, können diese ungroßzügigen Menschen glücklich sein? Das Glück ist ein Vogerl? Nein, eine Glocke, aber wenn sie Kleingeist läutet, wird sie schnell zur Käseglocke, luftdicht, aber stinkend.

Schön, luftdicht und verschlossen

Österreich ist schön, luftdicht und verschlossen. Natürlich können wir nicht alle Grenzen aufmachen, aber wir dürfen integrierte Menschen, die in ihrer Heimat keine Zukunft mehr sehen, auch nicht mir nichts, dir nichts abschieben. Im Zweifel immer für den Menschen. Daher fordere ich ein uneingeschränktes Bleiberecht für die Familie Zogaj und alle ähnlich gearteten Fälle.

Dass so viele Menschen dem Aufruf zu dieser Kundgebung gefolgt sind, ist wunderbar und gibt Hoffnung. Österreich ist doch schön. Danke. (DER STANDARD; Printausgabe, 8.10.2007)

 
At 9:53 AM, Blogger Helmut said...

Den Franzobel hab ich vor einem halben Jahr sogar auch an Tokyos Sophia University lesen gesehen - unter anderem denselben Text! **

日本からよろしくお願いします~

 

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